Der Dirigent
Du spielst mir was vor
In unregelmäßigen Abständen
Bei geöffnetem Flügel
Lässt du mich
Über die Klänge springen
Bis der Fischschwanz sich teilt
Das ist Musik
Die unser nie müde wird
Deine Engelszunge
Ist noch die alte
Sie tut so als ob sie schliefe
In den weichgewordenen Kuhlen
Meiner Ellenbogen
Le chef d’orchestre
Tu joues
À quelque chose
De temps à autre
À ailes déployées
Je passe à la trappe
De ton piano
Jusqu’à ce que la queue
De poisson se fende
C’est une musique qui ne se lasse
Jamais de nous
Ta langue d’ange d’antan
Fait semblant
De dormir dans les creux
De mes coudes
Fléchis
veröffentlicht in "Falterfragmente / Poussière de papillon"
Der Dirigent (Alte Version)
Du bist die schönste die dunkelste der Nachtseiten
Wenn du hochtauchst aus deinen Wellentälern
Mit der alten Engelszunge und den offenen Flügeln
Auf denen ich spiele in unregelmäßigen Abständen
Bis mir die Ellbogen weich werden bis mir das Blut
Ins Herz zurückfließt und der Fischschwanz sich teilt
Das ist Musik die deiner nie müde wird deren Töne
Du springen lässt über den Taktstock den du nicht
Aus den Händen gibst den du aus Abgründen hebst
In die ich dir folge bis unter die Tasten die Jochbögen
Wenn die Dämmerung schwarz wird zwischen den
Hochstämmigen Fichten wo es nach Sternen riecht
veröffentlicht in ODA 1/2015
Sächsisches Gut
Manche haben noch alte Zäune
Hölzerreihen gespannt um Gärten und Hähne
Wenige unrenovierte Scheunen
Lassen Bruchsteine sehn wie Adern wo keiner
Mehr wohnt werden Vorhänge trostlos
Mancherorts eine Stube um eine Großmutter
Löchriger Putz, nach neunundvierzig
Übers Fachwerk geschmiert
Porphyr färbt die Lider der Ställe
Rotweinfarben sind in der Gegend
Taufbecken Grabsteine Herrnhausränder
Im Schuppentor fehlen schon Latten das hängt
Schwach in den Angeln Ziegelhälften
Liegen im Hof und Eisenschrott
Rechts die Traktorenwracks rosten
Zwischen abgekoppelten Hängern
Ruhen die schwarzen Katzen
Aus „Warteschleifen auf Holz“, dr. ziethen verlag, 2015
Dinard
Wir sehen den Ginster durchs Fenster
Sehn die Galeeren den Horizont heben
Das Meer vor uns schwankt es hat keine Farbe
Hände zittern wie Vögel im Regen
Deren Flügel sich jäh berührn
Heftig schlagen um unsre Haut
Draußen ist Ebbe wir pressen die Zwerchfelle
Fest aneinander kreuzen die Stimmen
Gleiten zusammen am Rand der Oktaven
Aus „Warteschleifen auf Holz“, dr ziethen verlag 2015
Harmonie
Am Dornenhaus könnte dein Schlaf wohnen
Unter den Brücken des Efeus
Der in den Ritzen rumort der kriecht
Übers brüchig gewordene Boot Baby dreh dich
Mit Schiffchen die Rost ansetzen segeln
Baumunter wie Wiegen schönhimmelfarben
Lehnt die dünne Nackte aus Holz
Am Bretterschuppen das Paar im Bachbett
Hockt zusammen in einem Stein fällt
Dem im Schilf lauernden Schlaf nie anheim
Zwischen zwei falschen Fröschen
Laicht der Wind
Eine erste Version des Gedichts wurde veröffentlicht in ODA 1/2019